IV. Kongreß der KI - Zum Bericht Sinowjews

11.11.1922

Um sie zu bekräftigen, hat der Genosse Sinowjew an einige fundamentale, vom III. Kongreß aufgestellte Punkte erinnert, die von der italienischen Partei gebilligt werden.

Der erste betrifft die objektive Lage. Die kapitalistische Krise ist keine periodische, sondern die Niedergangsperiode des Kapitalismus, die als definitiv bezeichnet werden kann.

Der zweite Punkt stellt fest, daß es in dieser Lage für den revolutionären Sieg notwendig ist, den Einfluß der Kommunistischen Partei auf große Massen auszudehnen; erreicht wird dies durch die Teilnahme an den Kämpfen für alle konkreten Interessen der Arbeiterklasse.

Die italienischen Kommunisten haben weder in der Theorie, noch in der Praxis eine putschistische Methode unterstützt, die auf die Eroberung der Macht durch eine kleine revolutionäre Partei zielt. Wir akzeptieren nur nicht die unbestimmte und willkürliche Formel von "der Mehrheit der Arbeiterklasse". Sie ist unbestimmt, weil sie nicht sagen kann, ob es sich allein um das Proletariat oder auch um die halbproletarischen Schichten der politisch oder gewerkschaftlich Organisierten handelt. Willkürlich scheint sie uns in dem Sinn zu sein, als der revolutionäre Angriff durch die Kräfteverhältnisse auch in einer Lage, in der wir die Mehrheit haben, unmöglich gemacht werden kann, wie sich anderseits nicht ausschließen läßt, daß der Angriff möglich ist, bevor wir die Mehrheit errungen haben.

Unsere Ansicht über die Aufgaben der Internationale und den vom Genossen vorgelegten Bericht ist, daß die Internationale bis jetzt das große Problem der Taktik nicht auf die glücklichste Art und Weise gelöst hat. Gewöhnlich erkennt man die Linke an der Zuversicht, mit der sie dem nahen Anbruch der Revolution entgegensieht. Nun, in dieser Hinsicht bin ich etwas pessimistischer als der Genosse Sinowjew.

Wenn das Bestehen einer großen kapitalistischen Krise eine unerläßliche objektive Voraussetzung für die Revolution ist, muß man genauso feststellen, daß die subjektiven Voraussetzungen für das Bestehen einer starken Kommunistischen Internationale und für ihren Einfluß auf die Massen in bestimmter Hinsicht durch die direkten Folgen der Krise auf die ökonomischen Arbeiterorganisationen, auf die Gewerkschaften und ähnliche Organisationen (die wir die "ursprünglichen" natürlichen Organisationen der Arbeiterklasse nennen können und auf die die Entwicklung der objektiven Situation sich unmittelbar auswirkt) gefährdet werden.

Die direkteste Art, die Massen zu gewinnen, besteht in einer intensiven Gewerkschaftsarbeit. Die ökonomische Krise und die Arbeitslosigkeit erschweren diese Aufgabe. Die Lösung der Opportunisten für dieses Problem besteht darin, einen erneuten kapitalistischen Aufschwung abwarten zu wollen, um dann zur Befreiung des Proletariats zu kommen.

In der Tat, wenn man der klassischen Lösung folgt, müßte der Gang der Dinge so sein, daß die Partei in der Blütezeit des Kapitalismus den größtmöglichen Einfluß gewinnt, um den wirtschaftlichen Organisationen, deren normale Tätigkeit durch die Krise beeinträchtigt wird, beim Auftreten der Krise einen neuen Inhalt zu geben und sie so auf das Terrain des revolutionären Kampfes zu ziehen. Aber eben das haben die Opportunisten verhindert. Dennoch läßt sich die KI nicht von der Aufgabe der revolutionären Mobilisierung des Weltproletariats abbringen. Dieses Problem weist derzeit schwierige, wenn nicht sogar unüberwindliche Bedingungen auf.

Meines Erachtens wird sich die wirtschaftliche Lage, mit Ausnahme einiger Länder, noch verschlechtern und Arbeitslosigkeit sowie Mitgliederschwund bei den Gewerkschaften mit sich bringen.

Die Unzufriedenheit wird aufgrund der Gefahr neuer Kriege nicht nur beim Proletariat, sondern auch bei den halbproletarischen Schichten wachsen. Diese chaotische Unzufriedenheit in eine Kraft zu verwandeln, die fähig zum revolutionären Kampf ist, das ist das große Problem. Die Internationale sucht es zu lösen, indem sie die durch die Offensive des Kapitals selbst geschaffenen Bedingungen ausnutzt: daher die Taktik der Einheitsfront.

Den Geist dieser Taktik nehmen wir voll und ganz an. Die Vorbehalte, die wir haben und die auch die allgemeine Arbeit der Leitung der Internationale betreffen, werden aus den folgenden Betrachtungen hervorgehen.

Wenn die Eroberung der Massen für uns das Hauptziel ist, muß das nicht zwangsläufig heißen, daß wir uns beständig und mechanisch fortschreitend darauf zu bewegen, und auch nicht, daß wir Notbehelfe zu finden haben, um das Ziel mit weniger Etappen zu erreichen. Es kann geschehen, daß die Partei eine Zeitlang nicht wächst, und doch eine Arbeit getan wird, die gewährleistet, die Massen zu einem späteren Zeitpunkt gewinnen zu können. Sinowjew hat gesagt, daß einige Sektionen der Internationale größeren Einfluß gewonnen haben, trotz der Abnahme ihrer Mitgliederzahl.

Die Eroberung der Massen darf also nicht auf die Schwankungen eines statistischen Indexes reduziert werden. Sie ist ein dialektischer Prozeß, der vor allem durch die objektiven gesellschaftlichen Bedingungen bestimmt wird, und unsere taktische Initiative kann ihn nur innerhalb bestimmter Grenzen beschleunigen oder, besser gesagt, unter bestimmten Bedingungen, die wir als Voraussetzungen ansehen. Unsere taktische Initiative, was auch heißt: unsere Fähigkeit zum Manövrieren, stützt sich auf die Wirkungen, die sie in der Psychologie des Proletariats erzeugt, wobei ich den Ausdruck "Psychologie" im weitesten Sinne gebrauche, bezogen auf das Bewußtsein, auf die Stimmung, auf den Kampfwillen der Arbeitermasse.

An dieser Stelle müssen wir festhalten, daß es, wie unsere gesamte revolutionäre Erfahrung zeigt, zwei erstrangige Faktoren gibt: vollständige theoretische Klarheit der Partei und eine strenge und sinnvolle Kontinuität in ihrer organisatorischen Struktur.

Wir sagen bloß, daß es auf dem Weg zur wirklichen Eroberung der Massen, also auf dem Weg, auf dem sich immer neue Schichten des Proletariats um die zur revolutionären Aktion befähigte Partei sammeln müssen, ein schlechtes Geschäft ist, wenn um einer Vergrößerung der Mitglieder- und Sympathisantenzahl willen, jene beiden Faktoren aufs Spiel gesetzt werden. Die Fähigkeit der Partei zum Kampf verlangt eine Vorbereitung, die nicht improvisiert werden kann und die aus den genannten Faktoren, d.h. Klarheit der Theorie und Festigkeit der Organisation, besteht. Dies vorausgesetzt, befolgen wir voll und ganz die Linie der Internationale, insofern sie darin besteht, wie zwischen dem III. und IV. Kongreß geschehen (und unsere Partei hat diese Linie als erste befolgt, schon vor der Rückkehr ihrer Delegation vom III. Kongreß), das weltweite Phänomen der Unternehmeroffensive auszunutzen, um die Schichten der Arbeiterklasse, die den Sozialdemokraten folgen oder die verstreut sind, zur Kommunistischen Partei zu ziehen.

Wir wiederholen hier nicht die Analyse der Ursachen und der Merkmale der bürgerlichen Offensive, zu der die herrschende Klasse eben durch die Unvermeidbarkeit der Krise gezwungen ist. Davon handelt ein besonderer Punkt der Tagesordnung; bei der Untersuchung des italienischen Faschismus werden wir zeigen, daß die Bourgeoisie alle ihre konterrevolutionären Verteidigungsmethoden gleichzeitig zu benutzen versteht.

Die Folge der Unternehmeroffensive sind politische und wirtschaftliche Forderungen, die die Gesamtheit der Arbeiter unmittelbar angehen und der Kommunistischen Partei eine günstige Gelegenheit liefern, die Einheitsaktion der Arbeiterklasse zu verfechten und durch Tatsachen zu belegen, daß die anderen Arbeiterparteien unfähig sind, auch nur die Tagesinteressen des Proletariats zu schützen. Das alles zeitigt eine doppelte revolutionäre Wirkung: dem Wiederaufbau des bedrohten Kapitalismus werden Steine in den Weg gelegt und der Einfluß der Kommunistischen Partei auf die Massen wird erhöht. Wir sagten, daß wir bei Anwendung dieser Taktik Grenzen sehen, Grenzen, die an die Notwendigkeit gebunden sind, die anderen Faktoren des Einflusses der Partei auf die Masse und die innere revolutionäre Bereitschaft ihrer Mitglieder nicht zu gefährden. Denn wir dürfen nie vergessen, daß unsere Partei kein starrer Mechanismus ist, den wir einfach handhaben, sondern ein lebendiger Organismus, auf den äußere Faktoren einwirken und der ebenso durch die Richtung unserer Taktik selbst verändert werden kann. Deshalb sagen wir, daß die Bildung eines dauerhaften Leitungsorgans, dessen Befugnisse größer sind als die der Parteien, aus Vertretern der verschiedenen Arbeiterparteien dem eigentlichen Ziel der Taktik der Einheitsfront widerspricht. Selbstverständlich muß man sich ebenso auf eine Ablehnung als auch Annahme einer gemeinsamen Aktion seitens der Opportunisten einstellen, doch die Verantwortung für die Aktion muß einem Organ zufallen, das aus der Arbeiterklasse kommt, also ihren wirtschaftlichen Organisationen, die im Prinzip durch jede Partei erobert werden können.

Auf diese Weise kann sich die Kommunistische Partei diesem Organ gegenüber diszipliniert verhalten und ein Beispiel geben, indem sie sich an die Spitze der proletarischen Einheitsaktion stellt; doch wird sie gegenüber den Massen nicht die Verantwortung für die negativen Folgen von Kampfmethoden haben, die eine nicht-kommunistische Mehrheit der Arbeiterorganisationen vorgibt. Auf dem Gebiet, auf dem es darum geht, Einfluß auf die Massen und ihre Psychologie zu gewinnen, sind die Verantwortung und Tradition zu berücksichtigen, die politische Parteien, Gruppen oder einzelne in der Vergangenheit hatten. Es handelt sich also keineswegs darum, aus den Forderungen der Einheitsfront die politischen Fragen auszuschließen und nur wirtschaftliche zuzulassen; es handelt sich auch nicht darum, prinzipiell oder aus einer Art "Prüderie" heraus, zeitweise Verhandlungen selbst mit den schlimmsten Führern der Opportunisten abzulehnen. Es handelt sich vielmehr darum, die Vorbereitung der breitestmöglichen Arbeiterschicht auf die revolutionäre Situation, nicht aufs Spiel zu setzen, wenn der Kampf, bei Strafe der Niederlage, mit den allein der Kommunistischen Partei eigenen Methoden geführt werden muß; es handelt sich darum, unserer Partei die volle Handlungsfreiheit zu erhalten, um während des Verlaufs der Einheitsfront die Eingliederungsarbeit der proletarischen Kräfte auf sämtlichen Tätigkeitsgebieten fortzuführen. Die Taktik der Einheitsfront hätte keinen Sinn, ohne die Massen in den Bewegungen zu organisieren, die die Partei innerhalb der Gewerkschaften, der Fabriken usw. um sich schart.

Wir sagen, es besteht die Gefahr, daß die Einheitsfront in einem kommunistischen Revisionismus degeneriert, und um sie zu vermeiden, muß man sich an bestimmte Grenzen halten.

Was die Parole der "Arbeiterregierung" betrifft: wenn, wie schon in der Erweiterten Exekutive im Juni, gesagt wird, sie sei "die revolutionäre Mobilisierung der Arbeiterklasse zum Sturz der Herrschaft der Bourgeoisie", so sind wir der Ansicht, daß diese Parole unter gewissen Umständen als terminologischer Ersatz für die Diktatur des Proletariats benutzt werden kann. Jedenfalls widersetzen wir uns dem nicht, gleichwohl dieses Bedürfnis, unser wirkliches Programm zu verschleiern, als zu opportunistisch erscheinen könnte. Wenn aber die Parole der "Arbeiterregierung" bei den Arbeitermassen den Eindruck vermittelt, daß nicht eine zeitweilige politische Situation oder das momentane gesellschaftliche Kräfteverhältnis, sondern das wichtigste Problem der Beziehungen zwischen der Arbeiterklasse und dem Staat (eine Problematik, auf die wir die Daseinsberechtigung des Programms und der Organisation der Internationale gegründet haben) anders gelöst werden kann, als durch den bewaffneten Kampf für die Machteroberung und ihre Ausübung in der proletarischen Diktatur, dann weisen wir dieses taktische Mittel zurück, weil es für den zweifelhaften Erfolg einer unmittelbaren Popularität eine Grundbedingung der Vorbereitung des Proletariats und der Partei hinsichtlich der revolutionären Aufgaben gefährdet.

Man kann sagen, die Arbeiterregierung sei nicht das, was wir unterstellen; dazu muß ich bemerken, daß ich mehrere Male Erklärungen über das gehört habe, was die Arbeiterregierung nicht ist, aber ich muß noch aus dem Munde des Genossen Sinowjew oder eines anderen erfahren, was sie denn eigentlich ist. Wenn es darum geht, sich vorzustellen, wie eine der proletarischen Diktatur vorangehende Übergangsregierung aussehen wird, so glaube ich, daß dort, wo der proletarische Sieg nicht eine ganz entschiedene Form annimmt, vielmehr zu erwarten ist, daß der Prozeß durch die Schläge der Reaktion in Richtung bürgerlicher Koalitionsregierungen geht, an denen die rechten Opportunisten wahrscheinlich direkt teilnehmen werden, während die Zentristen von der politischen Bildfläche verschwunden sein werden, nachdem sie ihre Rolle als Komplizen der Sozialdemokratie ausgespielt haben werden. In Deutschland sehen wir beispielsweise, daß am Vorabend einer allgemeinen industriellen Krise in der Arbeiterrätebewegung die Frage der "Produktionskontrolle" auftaucht. Es besteht eine gewisse Analogie zur Lage in Italien vom September 1920, die einer großen proletarischen Niederlage voranging. Wenn eine ähnlich revolutionäre Bewegung wie die der Fabrikbesetzungen entstehen wird, sollte die KPD darauf gefaßt sein, daß ausnahmslos alle opportunistischen Strömungen auch die bescheidenste Unterstützung dieser Parole der "Produktionskontrolle" ablehnen werden. Entweder wird die KPD von diesem Augenblick an eine selbständige Rolle spielen können, oder es wird zu einer konterrevolutionären Situation kommen, worin einer Regierung der Weg geebnet wird, in der ein deutscher Faschismus die Verräter der rechten Sozialdemokratie als Mitarbeiter an seiner Seite haben wird.

Aus all dem folgt, daß wir weder mit dem Thesenentwurf des Genossen Sinowjew noch mit der bis heute eingeschlagenen Richtung in der Tätigkeit der KI völlig einverstanden sind. Das bezieht sich nicht nur auf die Taktik, sondern auch auf die Gestaltung unserer internationalen Organisation. (Wir haben gehört, wie Genosse Sinowjew sich über den Mangel an Zentralismus und Disziplin in unserer internationalen Aktion beklagt.) Wir sprechen uns für ein Maximum an Zentralismus und Macht der höchsten Zentralorgane aus. Was jedoch die Befolgung der Initiativen der Führung gewährleistet, ist nicht eine feierliche Ermahnung zur Disziplin und andererseits das ehrliche Versprechen, sie einzuhalten; ebenso wenig geht es um die formale und peinlich genaue Anwendung der inneren Demokratie und der Kontrolle seitens des Großteils der Organisierten, was oftmals nur eine Fiktion ist. Die Garantie für die Disziplin muß anderswo gesucht werden, wenn wir uns mit Hilfe der marxistischen Dialektik erinnern, welchen Charakter unsere Organisation trägt: weder ist sie ein Mechanismus noch eine Armee, sie ist eine wirkliche Einheit, deren Entfaltung erstens ein Produkt und zweitens ein Faktor der historischen Entwicklung ist.

Die Garantie für die Disziplin kann nur in der Präzisierung der Grenzen liegen, innerhalb derer unsere Aktionsmethoden angewendet werden dürfen, in der Klarheit der Programme, der wichtigsten taktischen Resolutionen und der Organisationsregeln. Die russische Revolution hat der internationalen revolutionären Bewegung die Grundlagen für die Wiederherstellung ihrer Theorie und ihrer Kampforganisationen geliefert. Das ist ein unschätzbarer Nutzen, der seine weiteren Wirkungen in dem Maße zeitigt, wie das Band zwischen der russischen Revolution und der internationalen proletarischen Bewegung aufrechterhalten wird. Gerade weil sie uns von diesem Ziel entfernt, kritisieren wir die Neigung, bei den organisatorischen Maßregeln und den taktischen Mitteln, deren Bestimmung dem Führungsorgan anvertraut sein muß, zuviel Freiraum zuzubilligen. Diese Bestimmungen müssen, das wiederholen wir, der Zentrale überlassen bleiben, und nicht nach der Einschätzung der jeweiligen besonderen Umstände seitens der nationalen Sektionen erfolgen. Wird die taktischen Richtlinien andererseits zu breit gefaßt, so daß sie manchmal sogar unberechenbar sind, werden sich die Fälle von Disziplinbrüchen unvermeidbar häufen und die Kontinuität und das Ansehen der revolutionären Weltorganisation untergraben. Wir glauben, daß die Organisation der Internationale in bezug auf die Zentralorgane weniger föderalistisch sein sollte, nicht auf die Vertretung der nationalen Sektionen gegründet, sondern aus dem Kongreß der KI hervorgehend. Es ist absolut klar, daß nur die russische Revolution uns den Sitz und den Generalstab der KI geben kann: aber um die Bewegung der weltweiten, ihm unterstehenden Kräfte sicher führen zu können, muß dieser Generalstab zusammen mit ihnen die Pläne der proletarischen revolutionären Strategie aufgestellt haben, denen gegenüber kein einziger Fall von Gehorsamsverweigerung geduldet werden dürfte. Unglücklicherweise gibt es negative Beispiele, die die Folge zu großer Elastizität und übertriebenen Eklektizismus bei der Bestimmung der Taktik sind. Die schlechte Lage in der französischen Partei ist das schlagendste Beispiel hierfür. Und wir müssen die bezeichnende Tatsache erwähnen, daß all diejenigen Parteien, die eine absolute Mehrheit der politisch organisierten Arbeiter auf ihrer Seite und ihren direkten Ursprung in den traditionellen sozialdemokratischen Parteien haben, eine Krise durchmachen, wie uns Frankreich, die Tschechoslowakei und Norwegen zeigen. Wir können nicht umhin zu sagen, daß in gewisser Hinsicht ein voluntaristischer Fehler begangen wird, der darin besteht, die Internationale der Arbeiterparteien in ihrer Struktur zu sehr mit staatlichen und militärischen Organisationen zu vergleichen.

Weil man um jeden Preis die entscheidenden Mittel finden wollte, um große revolutionäre Erfolge zu erlangen, ist vielleicht ein Weg eingeschlagen worden, der von den wirklich sicheren und festen Resultaten wegführt - dies aufgrund der Krisen, die ausbrechen, ohne daß irgendeine unseren Willen gehorchende Kraft das verhindern könnte. Und es kann sein, daß wir in entscheidenden Momenten schwierige Fragen zu lösen haben. Ich behaupte nicht, daß diese Erfahrung in einem gewissen Sinne nicht notwendig gewesen sei; ich erlaube mir, hier einen Beitrag zu liefern, der nicht Ergebnis abstrakter Überlegungen ist, sondern aus der Erfahrung einer Partei hervorgeht, die im Kampf an der gemeinsamen Front auf ihrem Posten steht.

Unsere Internationale wird zu oft für etwas gehalten, das außerhalb der ihr angehörenden Parteien steht; zuweilen erlauben sich diese Parteien oder Fraktionen dieser Parteien eine polemische Diskussion mit ihr, die häufig öffentlich und anmaßend geführt wird. Die Internationale ist dahin gekommen, innerhalb der Parteien Fraktionen zu schaffen, die ihren Anweisungen folgen – das ist, was mir absurd und gefährlich erscheint.

Wir sehen uns gezwungen, viele organisatorische und disziplinarische Fragen zu erledigen, just in dem Augenblick, in dem wir feststellen, daß der Gegner eine Reaktion entfesselt, die die in diesen Fällen notwendigen Besprechungen, Verhandlungen und Verfahren praktisch verunmöglichten.

Ich schließe mit einer Parole, die Sinowjew selbst ausgegeben hat: Seien wir eine wirkliche kommunistische internationale Partei, fest zentralisiert, gestählt durch den revolutionären Kampf! Ich will noch bemerken, daß in einer solchen Partei keinerlei Änderungen in der Organisationsstruktur einer einzelnen nationalen Sektion vorgenommen würden, und daß man auf ihren Kongressen niemals Delegierte sehen würde, die von Bezirken entsandt wurden, die die allgemeinen Organisationsregeln nicht angenommen haben.

(In der zentralisierten internationalen Kommunistischen Partei werden wir tatsächlich jene unentbehrliche Einheit im Denken und Handeln haben, gegenüber der jeder Disziplinbruch wie Verrat bestraft werden wird.)

 

IV Congresso dell'IC - Discussione sulla relazione di Zinovjev

Source Il Lavoratore, 9. Dezember 1922
Author Amadeo Bordiga
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